Mythos Arbeiterverein

September 1898: Die Belegschaft der Hutstumpenfabrik Böhm in Wien Ottakring gründet den 1. Wiener Arbeiter Fußballklub. Zur damaligen Zeit ein Novum, denn als der Fußballsport in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Österreich kam versuchte vor allem das Bürgertum und der Adel diese Sportart für sich zu vereinnahmen. Für diese Klasse war der Fußballsport ein Mittel der Erziehung junger Knaben, Tugenden wie Teamgeist und die individuelle Verantwortung für die Mannschaft standen dabei im Vordergrund. Aus England war diese Auffassung vor allen von den versnobten Privatschulen übertragen worden. Der Fußballsport geprägt von Athletik und Technik, Spielwitz und Schönheit. Das Ende des 19. Jahrhunderts war auch eine Zeit in der der 3. Stand, das Bürgertum, versuchte seine durch zahlreiche Revolutionen (beginnend 1789 mit jener in Frankreich) gewonnen Rechte gegen Adel und Geistlichkeit gegenüber dem Proletariat zu verteidigen. So wie es in vielen Sportvereinen Paragraphen gab, die eine Mitgliedschaft ausschließlich Ariern vorenthielten, blieben auch für die arbeitende Bevölkerung die Tore vieler Vereine geschlossen. Ein typisches Beispiel stellte der WAC dar, der sich in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts entschloss gegen keine Arbeiterclubs mehr zu spielen. Später ging dieser Verein in der Wiener Austria auf.

Als sich nun also in den letzten Monaten des ausgehenden 19. Jahrhunderts die Arbeiter zusammenrauften um eine eigene Mannschaft ins Leben zu rufen, wurden diese von allen seinen mit Missgunst bedacht und belächelt. Bei einem Jubiläumsturnier zu Ehren von Kaisern Sissy wurde den Arbeitern die Teilnahme zwar nicht verwehrt, der letzte Platz war aber keinesfalls auf das mangelnde spielerische Können zurückzuführen. Die Bourgeoise fühlte sich bedroht in ihrer Monopolstellung. Die Arbeiter entwickelten nun im Gegensatz dazu ein ganz eigenes Spielethos. Er mag wohl auch ein bisschen an die protestantische Ethik (Arbeit, Entbehrung und Verzicht) angelehnt sein, gehörte die Hutstumpenfabrik Böhm doch dem englischen Geschäftsmann Mr. Lowe und dessen drei Söhnen Harry, Fred und Arnold. So zeichneten sich die Arbeiter bald durch ihren Kampfgeist und ihr Stehvermögen auf dem Spielfeld aus. Dieser unverwüstliche Siegeswille und die Bereitschaft auch bei vielen Gegentoren nicht aufzugeben übertrug sich von Generation zu Generation. Bald wurde der 1. Wiener Arbeiter Fußballklub in SK Rapid umgetauft (1899), was diesen Ethos übrigens auch sehr gut zum Ausdruck bringt, bald verschwanden auch die Gründungsfarben blau und rot, doch der Ethos blieb erhalten. Aus Tugenden wurden Charakteristika, aus Kampfkraft wuchs der wohl größte Mythos, die Rapid Viertelstunde. Immer wieder, über Jahrzehnte hinweg bewiesen Spieler des SK Rapid, dass sie diesen Mythos verinnerlichen konnten, dass sie ihn weiterzutragen bereit waren und genau das ist, was wir Fans uns von unserem Verein erwarten. Kampf, Einsatz und Siegeswille, das was diesen Arbeiterverein über mehr als ein Jahrhundert stolz machte und uns eindeutig von der bürgerlich violetten Austria abgrenzt. Der Feind sitzt im 10. und das seit vielen, vielen Jahren…

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