Very British, Come dici?

Wir alle denken in Kontrasten, war etwas gut oder schlecht, ist es hell oder dunkel, ist jemand links oder rechts? Abstufungen fallen dabei meistens unter den Tisch, sie verkomplizieren unser Bild und schaffen Unverständnis.

Im Fußball wird häufig vom britischen oder vom italienischen Stil des Supports gesprochen. Ersterer manifestiert sich in spontanem spielabhängigem vokalen Support, Gruppen treten im Stadion selten bis gar nicht in Erscheinung. Ein gepflegtes Kräftemessen nach dem Spiel wird dem optischen Auftreten im Stadion vorgezogen. Hinzu kommt eine Pubkultur, die unsereins in diesem Ausmaß nicht kennt. Der Casualstyle, Skins als Gegenbewegung zur Hippiegeneration, die Einteilung von Städten in deren Viertel und das Verteidigen dieser, Nationalstolz im Allgemeinen, alles Erscheinungen die uns aus Großbritannien importiert wurden, dem so genannten Mutterland des Fußballs, wo der Ethos und die Mentalität dieses Sports geschaffen wurden.

Mentalita – ein gutes Stichwort. Der Süden Europas und hier im speziellen unser südliches Nachbarland entwickelten in den 70iger und 80iger Jahren (manche sogar noch ein wenig früher) einen ganz eigenen Stil. Der folkloristische Support mit Konfettiregen, Pyromaterialien, Mustern aus Plastik und- Papierzetteln, kurz die Vorläufer der uns heute wohlbekannten Choreografien fand seinen Ursprung. Teilweise aus dem lateinamerikanischen Raum importiert, zu großen Teilen selbst geschaffen entwickelte sich die mächtigste Fanbewegung Europas: die Ultras, zu deutsch die Extremen. Kodices legten fest wie diese zu sein hatten, bald wurde das verfolgen von bestimmten politischen Zielen, wie der Kampf gegen Repression und Kommerz, als gemeinsames Oberziel definiert. Ewig kritisch, ewig revolutionär und streng an Traditionen verhaftet ohne konservativ zu sein (wo kann es so eine Mischung schon geben…). An dieser Stelle kommt der oben beschriebene Kontrast zu tragen. Wer bist du? Ein Hool oder ein Ultra? – die Absurdität dieser Fragestellung ergibt sich schon alleine aus der Wortwahl. Gibt es überhaupt eine Reinkultur? Ein Blick quer über Europas Kurven zeichnet ein völlig anderes Bild. Die Abstufungen sind enorm, Mischungen die dabei entstehen teilweise reizvoller als die oben beschriebenen Ausprägungen. So lebt auch die österreichische Szene sehr stark von germanismen (wenn man das so nennen kann), in Deutschland zeichnet sich überhaupt ein geteiltes Bild. Während in den westlichen Bundesländern noch copy- paste des italienischen Stils (die Plagiate sind bis auf wenige Ausnahmen mit den Originalen in ihrer Qualität kaum zu vergleichen) vorherrscht, hat der Osten einen ganz eigenen Weg gefunden. Graffitis und territoriale Ansprüche, Fußball auf den Straßen wird hier noch ganz anders gelebt. Erleichtert natürlich auch, weil die meisten Kultvereine heute kaum noch über das Kreisliganiveau hinauskommen und sich Repression etwas in Grenzen hält (seit 2006 leider auch nicht mehr überall gültig). In den Beneluxländern ist der englische Einfluss wieder etwas stärker, trotzdem hat sich der Fußballfan dort seine eigene Identität bewahrt. Frankreich wiederum schaffte es viel besser als Deutschland die originäre Ultrakultur für sich zu beanspruchen. Etliche Beispiele belegen das. Frankreich auch deshalb weil der Einfluss des Südens alleine schon durch Kolonialisation und die Lage am Mittelmeer stärker ist.

Bleibt Südosteuropa und die Länder der ehemaligen Sowjetunion. Soziokulturelle Spannungen, ein anderer Zugang zu Gewalt und Waffen, teils erbärmliche Armut und ein ungeheurer Fanatismus haben in vielen Ländern einen explosiven Mix aus neuer Kreativität und alten Ritualen geboren. In Ex-Jugoslawien, Griechenland und der Türkei stärker als in den übrigen Ländern. Man darf jedoch gespannt sein ob in den Transformationsländern der Fußball und seine Subkultur Kurve in Zukunft bald neue Facetten erhalten und die bunte Welt der Tribünen um neue Geschichten bereichert wird. Es lebe die Vielfalt!

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