(Staats-)Gewalt

Ausschreitungen, Straßenschlachten, Vandalismus – die Öffentlichkeit setzt sich mehr und mehr mit diesen so genannten „Phänomenen des Fußballkonsums“ auseinander. Nicht sehr objektiv versteht sich, die mediale Aufbereitung lässt diesen Schritt aber erst gar nicht zu.

In unserer westlichen Zivilisation haben sich durch bluten Kampf und langwierige Revolutionen die demokratischen Grundwerte des Zusammenlebens durchgesetzt, in manchen Gegenden ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen, bei uns wird mit Demokratie eine Selbstverständnis konotiert, das ein aktives und öffentliches Hinterfragen im Bezug auf die Lebensrealität nicht zulässt. Doch fällt auf, dass vielen der semantische Gehalt dieses inflationär gebrauchten Begriffs nicht mehr bewusst ist, ja das Ausmaß seiner Facetten bei weitem verfehlt wird. Gleich einem Eisberg, dessen wahre Größe und- was viel mehr entscheidend ist – dessen wahre Wirkungskraft unter der Oberfläche verborgen bleibt.

Die moderne westliche Demokratie hat eine Gewaltenteilung hervorgebracht, die dem Staat als Institution gegenüber seinen Bürgern ein so genanntes Gewaltmonopol zugesteht. Das bedeutet, niemand darf einem anderen Menschen Gewalt zufügen außer der Staat selbst bei der Durchsetzung seiner Gesetze. Der Mensch gibt ein Stück seiner Freiheit zu Gunsten seiner eigenen Sicherheit an die Allgemeinheit ab, so wird es auch bereits bei Thomas Hobbes in „Leviathan“ beschrieben, wenn die Abkehr vom Urzustand menschlichen Zusammenlebens („homo homini lupus“) in der Errichtung einer monarchischen Diktatur endet.

Heute will niemand mehr vom Wort Diktatur sprechen, es auch nur im Entferntesten mit positiven Attributen versehen wissen, wie auch, nach den Erfahrungen der Vergangenheit? Die Demokratie hat gesiegt, doch bedeutet es übersetzt nichts anderes als Volksherrschaft. Die Diktatur der Mehrheit in schärferen Worten. Wie aber werden Mehrheiten gefunden, wodurch gelangen Menschen in Bereichen in denen sie nur sehr wenig eigenes Wissen anhäufen konnten, weil sie eben andere (zweifellos legitime) Interessen verfolgen, zu einer Meinung, die doch gefragt ist in einer Volksherrschaft? Hier treten Medien auf den Plan, mehr und mehr als früher, wo doch in einer Informationsgesellschaft nichts leichter funktioniert, als eben genau diese zu erhalten. Die Wahrheit liegt in der Aufbereitung der Tatsachen. Doch bereiten eben nur wenige diese Informationen auf und diese verfolgen wiederum eigene Ziele oder bekommen selbige diktiert. Informelle Kanäle der Macht – formell können sie ja nicht existieren, wir leben in einer Demokratie, schon vergessen? – bahnen sich ihren Weg zum Volk. Wenn früher die Menschen durch geschickte Demagogen verhetzt wurden, so geschieht dies heute über eine viel subtilere Ebene, durch Lobbyisten, Journalisten, Granden aus Wirtschaft und Gesellschaft (deren Weg zu Status und Ruhm nicht hinterfragt wird).
Eben diesen Gruppen ist auch der Fußballfan von heute in all seinen Facetten ausgesetzt. „Der Terror der Rapidfans“, „das sind Menschen, die lieben den Fußball nicht“, „da geht es um gesellschaftliche Probleme“, „hierbei handelt es sich um Fanatiker, was auf massive Beziehungsprobleme zurückzuführen ist“, „etwas, das unsere Gesellschaft herausfordert“ – alles Reaktionen auf die Causa „Ivanschitz in Hütteldorf“, einzuordnen in eine Reihe von Klassikern wie „wir sind uns sicher, der Irak besitzt Massenvernichtungswaffen“, oder „jeder zweite Asylwerber ist kriminell“ etc…Was dahinter steckt? – Die Angst lukrative wirtschaftliche Vorteile aus einem Großevent wie der Euro 2008 aufs Spiel zu setzen, Sponsoren zu verlieren, Ansehen einzubüßen, oder einfach nur einen Schuldigen für die Probleme dieser Welt gefunden zu haben. Ein Protest in einem Fußballstadion, mit vokalen und schriftlichen Mitteln hätte vor wenigen Jahren zu kaum einer Pressemeldung geführt, doch jetzt ist das Interesse bestimmter Personengruppen massiv in Gefahr. Präventivhaft, Stadionverbote, Meldeauflagen, alles wird in Kauf genommen um Interessen durchzupeitschen.

Die Diktatur einer gesellschaftlichen Oligarchie, basierend auf Netzwerken und Geld, hat Eingang in unsere Demokratie gefunden, eine Demokratie, die wir doch alle so lieben und die uns Schutz bietet. Schutz, der sich in einem massiven Sicherheitsbedürfnis widerspiegelt. Der Staat, bedroht durch eine verflochtene Weltwirtschaft mit eigenen Spielregeln sucht seine Legitimation in einer Schutzfunktion zu finden und nichts ist dabei wichtiger, als dass die Menschen sich vor etwas fürchten. Vor religiösen Fanaten, kriminellen Asylwerbern und natürlich Hooligans. Unter diesem Aspekt verliert der Wert von Freiheit zu Lasten der Sicherheit und niemand mehr stößt sich an menschenrechtswidrigen Maßnahmen wie dem fantechnischen Guantanamo, denn nichts anderes ist die Diskussion um Präventivhaft für Hooligans…

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