Die Hauptstadt und wir…

Ein morgendlicher Blick aus dem Fenster verrät mir: ich bin hier und Wien ist dort. Taufrische Wiesen vor meinem Fenster, am Horizont eine Waldlichtung, ein Bauer der mit Kuhmist seine Felder düngt, ein Reh das keine Straßen kennt. Noch am Wochenende hatte ich eingestimmt: „wir sind eure Hauptstadt ihr Bauern“. Bin ich schizophren, Masochist, Herkunftsverleugner, Verräter meiner Heimat, das schwarze oder besser grüne Schaf der Familie? Eigentlich wollte ich mich anziehen und im Alltagsleben untergehen doch meine Gedanken schweifen derweil ab…

Alles begann wohl mit der Erschließung durch den öffentlichen Verkehr, Strom und damit Fernsehen sowie Internet taten ihr übriges. Das Leben fernab der mittelalterlichen Dorfgemeinschaft mit seinen hegemonialen Berufsaussichten wurde offenbart. Wien – die Hauptstadt des Landes, das Tor zur Welt. Wien das Ziel für Kosmopoliten, für Andersdenkende, ein Schmelztiegel der Kulturen, wo trotzdem Traditionen über Jahrhunderte bewahrt wurden. Ein eigener Stil, der diese Stadt so anziehend macht. Wien ist anders- ich auch, manche Rechnungen sind doch so einfach. Heimat bist du großer Söhne – der Bergbauer aus dem Tiroler Unterland ist damit nicht gemeint, Wien eine Stadt mit Geschichte, ein Ort voller Möglichkeiten und Prinzipien. Es ist schon richtig, wir sind nicht aus Wien, diese Tatsache lässt sich nicht verleugnen, doch was sind soziographische Mängel wenn man den Geist der Stadt bereits in sich trägt? Keine amtliche Urkunde kann meine Einstellung dokumentieren, noch sie determinieren. Auch wir sind ein Teil des Wiener Hauptstadtkults! Bauer ist wer Bauer bleibt!